Wie in Baden-Württembergs Schulen viele IT-Adminstratoren an die Wand gefahren werden. Dazu habe ich am 3. Mai den folgenden Thread auf Twitter geschrieben, welcher recht viel Resonanz erhalten hat:
Später wurde ich angefragt, ob ich diesen Thread nicht als einen „Blogpost“ umschreiben würde, um ihn in einem Medium zu veröffentlichen.
Leider hat das Medium dann meinen Beitrag – ohne dies mit mir abzusprechen – stark abgeändert veröffentlicht. Hier mein Originaltext:
#Kultusminister*innen, hört die Signale
Ein Gastbeitrag von Simon Rott
Vor einigen Tagen bewarb die Robert Bosch Academy auf Twitter eine Analyse mit den Worten „#Lehrer, hört die Signale – Warum die digitale #Bildungsrevolution lange überfällig ist.“, und auch in vielen Medien und in gesellschaftlichen Diskussionen wird die mangelnde Digitalisierung an deutschen Schulen gerne den Lehrkräften oder den Schulen zugeschrieben. Dies greift jedoch zu kurz, denn oft sind es die Rahmenbedingungen, die für die Digitalisierung im Bildungsbereich ein „Showstopper“ sind.
So teilen sich in Baden-Württemberg Land und Schulträger die Aufgaben an Schulen, so auch (theoretisch) in der IT. Die „Digitalisierungshinweise für Schulen in öffentlicher Trägerschaft“ von Juli 2019 enthält eine 50 Punkte lange Tabelle, welche regeln soll, wer für was zuständig ist. Die meisten Punkte, die dem Land obliegen, übernehmen entweder die Schulleitung oder die „Netzwerkberater“ vor Ort, die anderen die Schulträger, welche oft, aber nicht immer die Kommunen sind. Viele Kommunen können oder wollen aber ihren Aufgaben nicht nachkommen, daher landen auch diese Aufgaben nur zu oft an der Schule.
„Netzwerkberater“ sind reguläre Lehrkräfte, und heißen so, weil die eigentliche Idee ist, dass sie das Kollegium im Umgang mit dem Netzwerk beraten. An den meisten Schulen nennt man sie jedoch „Netzwerker“ oder „Admin“, denn das trifft es meist besser (Disclaimer: ich bin unser Admin). Für ihre Tätigkeit bekommen sie Anrechnungsstunden, sie müssen also weniger unterrichten. Die Details regelt ein Erlass des Kultusministeriums, der mehr als 20 Jahre alt ist: er stammt vom 23. Juni 1998 und wurde seitdem nicht mehr verändert. Dieser Erlass besagt also, dass die Schule eine Stunde aus ihrem allgemeinen Entlastungskontingent nehmen soll, ab 25 Computern gibt es eine weitere und ab 51 Computern zwei weitere Stunden. Damit endet die Skala – mit Ausnahme der beruflichen Schulen. Viele Admins bekommen zwei oder drei Anrechnungsstunden. Sie unterrichten zum Beispiel eine fünfte Klasse in Geographie weniger (das bedeutet zwei Stunden Ermäßigung), kümmern sich dafür um „das Netzwerk“ an ihrer Schule. Was das umfasst, schildere ich aus meiner persönlichen Erfahrung:
Wir sind eine sehr kleine Schule mit nur ca. 320 Schüler*innen und knapp 40 Kolleg*innen. Für diese kümmere ich mich um Server, WLAN im ganzen Gebäude, Projektionsmöglichkeiten, 57 feste PCs, circa 20 Notebooks, acht Drucker, und 250 schuleigene Tablets. Wir arbeiten mit Moodle, gehostet bei BelWü (Baden-Württembergs extended LAN), E-Mail-Adressen und Verteilern, Threema.work als Messenger, vor Ort mit der paedML Windows des Landesmedienzentrums sowie dem Schulmanager für den Vertretungsplan. Es müssen jeweils Accounts gepflegt, neue User, Klassen und Kurse angelegt, alte gelöscht werden. User vergessen (oft) Passwörter. Sie haben Fragen, Wünsche und Probleme und wenden sich damit an den Admin. Um Standardprobleme abzupuffern, betreiben wir einen Moodle-Kurs „Hilfe“ für Schüler*innen, und eine Wissensdatenbank mit einem Ticketsystem für Kolleg*innen. Bei mehr als 300 Geräten geht auch mal was kaputt, dann kümmern wir uns um Ersatz, Reparatur, Abwicklung mit Versicherung, Neueinrichtung und so weiter. Natürlich begleiten wir neue Kolleg*innen und Schüler*innen, sorgen für internen Austausch und Fortbildung und sind für Fragen immer da. Wir verwalten die Tablets mit einem ProfileManager vor Ort, ziehen aber gerade zu JAMF school um, kaufen und verwalten Apps, haben zusätzlich zu Papier digitale Schulbücher von verschiedenen Verlagen, welche auch Accounts benötigen und die Lizenzen diesen zugeordnet werden müssen. Für all das sind vom Kultusministerium laut der 1998er-Liste drei Stunden weniger Unterricht vorgesehen. Das ist natürlich unrealistisch – um es freundlich zu sagen. Um es deutlich zu sagen: wer seine Aufgaben als Netzwerkberater, Admin und auch die als Lehrkraft ernst nimmt, der geht unter. Hinweise darauf werden (vom Ministerium) gerne damit beantwortet, dass einige der Aufgaben ja Aufgabe des Schulträgers seien. Das stimmt natürlich. Jedoch würde die Zeit auch dann (bei weitem) nicht reichen, wenn man „nur“ die Aufgaben des „Netzwerkberaters“ machen würde, zudem ist es bei den meisten Schulträgern unrealistisch, dass diese ihren Aufgaben vollumfänglich nachkommen (können).
Es gibt Vorzeigeschulträger: Das sind oft große Städte mit Stadtmedienzentren, welche die Economies of Scale nutzen können. Beim Rest bleiben viele der Aufgaben an Schulen hängen, da Schulträger die Aufgaben nicht leisten können, zum Beispiel weil sie gar keine IT-Abteilung haben. Gerne wird auch auf die „Zusatz-Verwaltungsvereinbarung ‚Administration’ zum DigitalPakt“ verwiesen. Dort sind in der Tat Gelder für IT-Angestellte der Schulträger oder Dienstleister vorgesehen. Diese deckt jedoch nur den Zeitraum bis 2024 ab, die Folgefinanzierung ist ungeklärt. Dies führt dazu, dass Schulträger ungern Stellen bzw. Ansprüche schaffen. Nicht weniger schwierig ist, dass IT-Stellen oft nicht besetzt werden können. In der Wirtschaft fehlen ebenfalls ITler, und da gibt es viel mehr Geld. Man könnte auch Dienstleister beauftragen, aber an gute zu kommen ist – insbesondere auf dem Land und als kleine Schule – eine große Herausforderung. Selbst wenn man einen guten Dienstleister hat, so ist natürlich dennoch viel Koordination und Absprache mit diesem erforderlich, was wiederum Zeit in Anspruch nimmt.
In der Pandemie waren und sind Admins extrem belastet, viele gehen gerade an der Aufgabenflut – man kann es nicht anders ausdrücken – kaputt. Dass die Schulen in Baden-Württemberg nun bei BelWü rausfliegen, und auch der Einsatz von MS365 wieder mal völlig offen ist, hilft nicht unbedingt. Außerdem muss man sich nun um Dienstgeräte für Lehrkräfte kümmern, kurz gesagt: die Aufgaben werden schnell mehr, nicht weniger.
Viele Admins halten das Ganze nur aus, weil sie sehr viel Wertschätzung an der Schule erfahren. Die nicht vorhandene Wertschätzung „von oben“ frustriert jedoch und führt zu Resignation. Viele würden am liebsten hinschmeißen, tun das aber aus Verantwortung den Schüler*innen, den Kolleg*innen und der Schule gegenüber nicht. Die Aufgabe abzugeben, ist oft kaum möglich. Wer will sich das antun, und wen will man wie dazu überreden?
Kurzum: Die Admins werden an die Wand gefahren, und mit ihnen die Schulen. Das Land will nicht mehr Stunden stellen, da man meint, das sei alles Aufgabe der Schulträger. Die aber können oder wollen das oft nicht leisten. Die Schulen und insbesondere die Admins versuchen, den Laden am Laufen zu halten.
Zwar gibt es bereits Ansätze, die Beziehungen zwischen Land und Schulträgern neu zu strukturieren, und dies ist beispielsweise in Baden-Württemberg auch im Koalitionsvertrag als Ziel genannt. Ob diese zukünftigen Strukturen insbesondere kleinen Schulen im ländlichen Raum gerecht werden, wird man sehen, und ebenso, ob man dann das entsprechende Personal findet.
Bis dahin müsste man jedoch dringend eine Übergangslösung finden. Diese wird kurzfristig vermutlich nur mit mehr Anrechnungsstunden für die „Netzwerkberater“ vor Ort möglich sein, denn alles andere braucht Zeit.
Zugegeben: Selbst wenn diese zusätzlichen Stunden nicht kommen, mache ich weiter, bis es irgendwann nicht mehr geht: Wegen meiner Schüler*innen, meiner Kolleg*innen, meiner Schulleitung, wegen meiner Schule! Insgesamt geht es so jedoch nicht mehr lange gut! Und das liegt nicht daran, dass meine Kolleg*innen und ich nicht „die Signale hören“, sondern an den Rahmenbedingungen. Hoffentlich hören die Kultusminister*innen – nicht nur in Baden-Württemberg – diese „Signale“ bald, und handeln dann auch entsprechend.
2 Antworten auf „IT-Administration an Schulen“
[…] An einer Schule fallen vielfältige Aufgaben im Bereich der IT an, die Verteilung der Verantwortung basiert allerdings auf einer Verwaltungsvorschrift von 1998 und fährt die IT-Administratoren an die Wand. […]
[…] Schulen werden heutzutage oft einer Kultur der Digitalität nicht gerecht, und stehen vor riesigen Herausforderungen im Bereich der IT. An Schulen fallen vielfältige IT-Aufgaben an und dabei werden die Administratoren an die Wand gefahren. […]